„Brandschutzkeil“ & Co. Warum diese bei Brandschützern nicht gern gesehen sind

Brandschutztür
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Jeder hat es schon einmal in seinem Leben gesehen – eine mit einem Keil offengehaltene Tür. Wenn ein Brandschutzbeauftragter, -ingenieur oder -sachverständiger ins Haus kommt und einen solchen Brandschutzkeil – wie er in der Praxis oft spöttisch bezeichnet wird – zu Gesicht bekommt, ist er selten darüber erfreut und wird dies in irgendeiner Form beanstanden. Aber warum tut er das? Und warum auch noch zurecht? Dies erläutern wir Ihnen, um Sie in dieser Thematik zu sensibilisieren, damit Sie ebenfalls selbstständig auf mögliche Gefahren hinweisen und agieren können.

Brandschutzkeil & Co

In der Praxis als Brandschützer laufen einem mit der Zeit alle denkbaren Möglichkeiten, eine selbstschließende Tür offen zu halten, über den Weg, z. B. unter die Tür geklemmtes Papier oder Pappe, ein Keil aus Holz, Kunststoff oder Metall. Selbst Gegenstände wie Steine, Kanister, Figuren, Blumentöpfe und ähnliches werden verwendet. Zu den eher seltenen Anblicken gehören ganze Mülltonnen, Container oder Europaletten. Sogar kreative Konstruktionen aus Seilen, Drähten oder Spanngurten wurden schon gesichtet. Aber auch das einfache Aushängen eines Obentürschließers ist eine gern angewandte Methode, um den automatischen Schließvorgang der Tür zu verhindern.

Warum müssen die Türen denn eigentlich schließen?

Im Grunde genommen ist die selbstschließende Funktion an den Türen bauordnungsrechtlich in der Landesbauordnung oder einer Sonderbauverordnung vorgeschrieben, um eine Brandweiterleitung in andere Bereiche bzw. Räume zu verhindern und somit die Flucht bzw. Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten ausreichend lange zu ermöglichen (Schutzziele). Diese Anforderungen betreffen in kleinen Gebäuden sowohl Türen von Einfamilienhäusern zu Garagen als auch Türen in kleineren Bürogebäuden von Treppenräumen, Keller- oder Lagerbereichen bis hin zu größeren Versammlungs- und Verkaufsstätten oder Hotels, bei denen meistens nur wenige Türen ohne selbstschließende Anforderung anzutreffen sind.

Arten von selbstschließenden Türen

Es gibt verschiede Arten von Türen im Brandschutz, die allgemein häufig als sogenannte Feuerschutzabschlüsse oder Brandschutztüren bezeichnet werden.

Zum einen gibt es Türen mit einem bestimmten Feuerwiderstand (Ermittlung der Feuerwiderstandsdauer nach DIN 4102 (Bewertung nach deutschen Vorgaben) oder DIN EN 13501 (Bewertung nach europäischen Vorgaben)), welche einer direkten Brandbeanspruchung über einen bestimmten Zeitraum (30, 60 oder 90 Minuten) standhalten müssen. Damit dies gewährleistet werden kann, darf die Funktionsfähigkeit der selbstschließenden Funktion nicht beeinträchtigt werden.

Zum anderen gibt es Rauchschutztüren (Rauchdichtigkeit nach DIN 18095 (Bewertung nach deutschen Vorgaben) oder DIN EN 13501 (Bewertung nach europäischen Vorgaben)), welche die Durchdringung von Brandrauch verhindern sollen und ebenfalls immer selbstschließend sein müssen.

Neben den feuerwiderstandsfähigen und rauchdichten Türen gibt es noch die Kombination aus beiden vorgenannten Arten, sprich rauchdichte Türen mit Feuerwiderstand, die selbstschließend sind. Diese sind umgangssprachlich unter der Bezeichnung T30-RS weit verbreitet. Sie dienen unter anderem dazu, eine Verrauchung von Flucht- und Rettungswegen ausreichend lange vorzubeugen.

Die Türen mit den geringsten brandschutztechnischen Anforderungen sind dichtschließende Türen. Diese müssen lediglich eine dreiseitig umlaufende, dauerelastische Dichtung oder einen dreiseitig umlaufenden Türfalz sowie formstabile Türblätter haben.

Dicht- und selbstschließende Türen sind die Kombination der dichtschließenden Türen in Verbindung mit einer selbstschließenden Funktion (in Bayern noch zusätzlich vollwandig). Diese werden in der Regel bei Räumen, von denen eine geringe Brandgefährdung auszugehen ist, zu Räumen mit höheren Anforderungen wie z. B. notwendige Treppenräume angesetzt.

Die oben genannten Türen mit Anforderungen verfolgen alle das gleiche Ziel: Im Brandfall die Ausbreitung von Feuer und/oder Rauch innerhalb des Gebäudes ausreichend lange zu behindern.

Zu den Türen ohne jede Anforderungen zählen beispielsweise Wohnungsinnentüren, Türen in Wänden ohne Anforderungen an den Feuerwiderstand und Eingangstüren aus dem Freien.

Was ist an den (Brandschutz-)Keilen auszusetzen und wieso sollten die Nutzer mehr Verantwortung übernehmen?

Wie schon erwähnt, sind Türen mit brandschutztechnischen Anforderungen dazu da, im Brandfall die Ausbreitung von Feuer und Rauch zu behindern. Die Türen allein können dies nicht sicherstellen. Die eigentliche Brandschutzanforderung wird im Baurecht an die Wände gestellt und ggf. für die Öffnungen in diesen Wänden Erleichterungen gewährt. Sprich die Anforderungen gelten für alle Öffnungen in diesen Wänden, zu welchen neben den Türen auch Leitungsdurchführungen usw. gehören. Zusammen bilden die Wände und Öffnungsabschlüsse einen Raumabschluss mit definiertem Feuerwiderstand und verhindern so im Brandfall, dass sich Feuer und Rauch über den Zeitraum des Feuerwiderstandes weiter ausbreiten können.

Durch das Verkeilen oder Blockieren der Tür wird die Funktion der selbstschließenden Tür (Raumabschluss) ausgehebelt und Rauch sowie Feuer können sich fast ungehindert im Gebäude ausbreiten. Zudem werden durch die Offenhaltemethoden die Türen oft beschädigt und dadurch in ihrer Funktion beeinträchtigt. So können z. B. durch Keile Türbänder ausleiern, Dichtungen beschädigt werden oder Türblätter sich verziehen, die dadurch nicht mehr richtig schließen. Eine beschädigte Tür muss ersetzt werden und verursacht entsprechende Kosten, die ohne großen Aufwand hätten vermieden werden können.

Die Aufgabe des Betreibers sowie der Brandschützer ist, diese Umgehung des Raumabschlusses zu verhindern z. B. durch Unterweisung der Mitarbeiter. Dies ist auch aus versicherungstechnischer Hinsicht relevant, denn ein durch wirksame Brandschutzmaßnahmen begrenztes Brandereignis zieht in der Regel auch einen geringeren Sachschaden nach sich.

Ein Bauherr muss bei der Neuerrichtung oder der Nutzungsänderung die Türen mit brandschutztechnischen Anforderungen versehen, um eine Baugenehmigung bzw. eine Nutzungsfreigabe zu erhalten. Diese Türen können zwischen wenigen Hundert Euro bis zu mehreren Tausend Euro kosten. Hinzu kommen dann noch Kosten für den Unterhalt bzw. die Wartung.

Stellen Sie sich vor, Sie bauen in Ihr Gebäude eine erforderliche Brandschutztür für 2.000 Euro ein, damit sich im Brandfall Feuer und Rauch nicht ausbreiten können, und jemand verkeilt diese Tür mit einem aus Altholz herausgeschnittenen Keil, der wenige Cent wert ist. Wie würden Sie dann reagieren? Zudem könnte sich dadurch der Sachschaden im Brandfall um mehrere Tausend oder Millionen Euro erweitern, die Versicherungsgesellschaft eine entsprechende Klausel beinhalten und dadurch ggf. Existenzschwierigkeiten für das Unternehmen oder die Privatperson entstehen.

Alternativen zur Verkeilung

Es gibt eine Lösung dieser Probleme, und zwar Feststellanlagen (kurz FSA). Die Feststellanlage hält eine Tür im Regelbetrieb offen und schließt diese im Brandfall. Sie besteht aus einem Türschließer, einer Einrichtung zur Offenhaltung und Rauchmeldern. So kann die Tür offenbleiben, im Brandfall wird der Rauch über die Rauchmelder erkannt und erst dadurch die Tür geschlossen.

Warum werden diese Feststellanlagen nicht vermehrt verwendet, wenn diese so vorteilhaft sind?

Einer der Hauptgründe, warum oft keine Feststellanlage eingesetzt wird und stattdessen ein Keil o. ä. zum Einsatz kommt, ist die mangelhafte Abstimmung zwischen Bauherr und Nutzern des Gebäudes. Oft werden gerade Geschäftshäuser von großen Investoren errichtet, ohne dass zum Zeitpunkt der Planungen die künftigen Nutzer des Gebäudes feststehen. Ein weiterer Grund ist die Umnutzung in bestehenden Gebäuden, z. B. wenn der Vorgänger eine Tür im Alltag selten genutzt hat aber der neue Nutzer diese nun ständig offen haben will oder muss. Eine wesentliche Rolle spielen auch die Kosten der Feststellanlagen. Diese kommen zusätzlich zu denen der Tür hinzu, ebenso die Wartungskosten, was vielen Bauherren zu teuer ist.

Was kann ich als Nutzer unternehmen, wenn ich eine selbstschließende Tür geöffnet haben will?

Das Baurecht sieht lediglich die selbstschließende Eigenschaft der Türen vor und stellt in den technischen Regeln Mindestanforderungen dafür, wenn man sie doch offenhalten will. Ein Bauherr erfüllt seine Pflicht, indem er selbstschließende Türen einbaut. Alles weitere liegt also bei ihm. Optimalerweise berücksichtigt der Bauherr die Wünsche der künftigen Nutzer bereits in der Planungsphase.

Im Bestand muss zwischen Nutzer und Bauherr bzw. Gebäudeeigentümer eine Abstimmung gefunden werden. Denkbar wäre die Anschaffung der Feststellanlage durch den Bauherr und die Übernahme des Wartungskosten durch den Nutzer. Wenn keine Einigung zustande kommt, muss sich der Nutzer leider damit abfinden, die Tür immer aufs Neue zu öffnen bzw. zu schließen.

Warum ist ein Keil (oder anderes) keine Lösung?

Durch eine aufgekeilte Tür kann im Brandfall das Schadensausmaß erheblich höher ausfallen. Im schlimmsten Fall werden Rettungswege unbrauchbar und Personen können das Gebäude nicht mehr sicher verlassen und zu Schaden kommen. Für diesen Fall sieht das Strafrecht sogar eine Strafe vor. Insofern sollte man sich genau überlegen, ob und unter welche Tür man einen Keil stecken will.

Zwar konnten im Rahmen der Recherchen für diesen Beitrag keine Gerichtsurteile zu dieser Thematik gefunden werden. Dies deutet darauf hin, dass entweder kein Verursacher ermittelt werden konnte, dieser nach § 303 StGB „Sachbeschädigung“ verurteilt wurde, das Sachschadensausmaß nicht hinreichend für eine Strafverfolgung war, kein Personenschaden entstand oder der Fall nicht „interessant genug“ war, um auf den frei zugänglichen Onlineplattformen veröffentlicht zu werden.

Doch nicht nur für den einzelnen kann dies zusätzlich zum entstandenen Schaden rechtliche Folgen haben. Auch die Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens und/oder deren Vertreter können bei einer Verletzung der Aufsichtsplicht nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (§ 130 OWiG) mit einem Bußgeld von bis zu einer Millionen Euro belangt werden.

Deshalb die Bitte an Sie: Wenn Sie irgendwo einen Keil in einer Tür sehen, haben Sie den Mut und nehmen Sie ihn mit. Sie können Holzkeile dann gerne auch zu Hause im Kamin oder beim nächsten Lagerfeuer verheizen. Haben Sie in Ihrem Betrieb eine Tür, die Sie in Ihrem Arbeitsalltag offenhalten wollen, dann weisen Sie Ihren Vorgesetzten darauf hin, dass es Lösungen gibt.Verwenden Sie keinen Keil oder ähnliches, um selbstschließende Türen offenzuhalten. Sie handeln damit im Sinne Ihrer eigenen Sicherheit und der Ihrer Mitmenschen.

Autor dieses Beitrages:

Daniel Frank, Brandschutz

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