Die Brandursache der Notre Dame

Brand Notre Dame de Paris
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15. April 2019, Paris: Die römisch-katholische Kirche Notre-Dame de Paris steht in Flammen. Der verheerende Großbrand entstand am Abend und konnte erst früh am Morgen des darauffolgenden Tages unter Kontrolle gebracht werden. Der Dachstuhl aus Eichenholz ist so gut wie zerstört. Das Gewölbe der Hauptschiffe wurde mehrmals durchbrochen und der 96 m hohe Spitzturm mit ca. 500 Tonnen Holzkonstruktion stürzte nach einem wahren Leuchtfeuer ein. Rauch und Wasser haben schwere Schäden im Kircheninnern verursacht. Wenigstens einige Reliquien konnten während des Brandes in Sicherheit gebracht werden.

Mindestens 5 Jahre, so erste Schätzungen, wird der Wiederaufbau von Notre-Dame andauern. Der Schaden wird auf mehrere hundert Millionen Euro geschätzt. Bereits ein Tag nach dem Brand wurden über 300 Millionen Euro an Spenden für den Wiederaufbau angekündigt.

Die Brandursache ist bislang unklar. Fakt ist jedoch, dass vor dem Großbrand größere Renovierungsarbeiten stattfanden und das Rauchverbot von Arbeitern des Bauunternehmens nicht eingehalten wurde. Der Brand kann natürlich auch durch einen Kabelbrand oder andere Ursachen ausgelöst worden sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit.

Sollte das Bauunternehmen an dem Brand schuld sein, so wird ein Teil des Schadens die Axa Versicherung zahlen. Der ganze Schaden wird aber nicht von der Versicherung bezahlt werden, da Versicherungssummen gedeckelt sind.

Hätte der Schaden kleiner ausfallen können?

Die Frage ist, ob bei einem derart geschichtsträchtigen, denkmalgeschützten Gebäude – Weltkulturerbe – ein solch verheerender Brand nicht stärker eingedämmt werden hätte können.

Wären die Millionen an Spendengeldern früher dagewesen, wie wäre der Brand dann verlaufen unter Berücksichtigung von passenden brandschutztechnischen Anlagen?

Möglichkeiten für den vorbeugenden Brandschutz sind zum Beispiel Brandmeldeanlagen für schwer zugängliche oder schwierig einsehbare Bereiche, wie der Dachstuhl. Brandmeldeanlagen im klassischen Sinne mit punktförmigen Rauchmeldern sind in solch derart großen Gebäuden und hohen Hallen nicht wirklich zielführend, da diese zu spät reagieren würden. Hilfreich wären spezielle Flammenmelder mittels Videoüberwachung, welche in Industriehallen zum Einsatz kommen und weiter evtl. Nebellöschanlagen oder sogar Gaslöschanlagen zur Kühlung und Sauerstoffreduzierung. Teure Lösungen, aber ist der Wiederaufbau nicht wesentlich teurer?

Dem Brandschutz steht der Denkmalschutz oftmals im Weg. Die Eichenholzkonstruktionen des Dachstuhls und Spitzturms sollten aus diesem Grund nicht mit einer Brandschutzbeschichtung versehen werden. Der Denkmalschutz wäre heute wohl froh, wenn die Beschichtung vorhanden gewesen wäre, denn nun ist nichts mehr vom Spitzturm übrig. Selbst eine durchsichtige Brandschutzbeschichtung, welche wenigstens das trockene Eichenholz von vermutlich „leicht entflammbar“ zu „schwer entflammbar“ reduziert hätte, wäre viel wert gewesen.

Eine weitere Möglichkeit ist die Erstellung von Brandbekämpfungsabschnitten, damit die Feuerwehr überhaupt eine Chance hat, nicht nur für ein kontrolliertes Abbrennen zu sorgen, sondern das Feuer einzuholen.

Sind Löschmöglichkeiten der Feuerwehr ausreichend vorhanden?

Eine weitere Herausforderung des Brandschutzes sind die möglichen Angriffswege zum Löschen eines Kirchengebäudes, eines Doms oder einer Kathedrale. Die Feuerwehr ist für solche Sonderbauten nicht ausgerüstet. Wie soll in einer Höhe von über 100 Metern ein Feuer gelöscht werden können, wenn die Feuerwehr mit dem Hubrettungsfahrzeug bzw. der Drehleiter maximal 23 Meter ausfahren kann? Hier müssen andere Maßnahmen getroffen werden, und zwar vorbeugend.

Die Kirche als ungeregelter Sonderbau

Kirchengebäude und auch Moscheen stellen in Deutschland ungeregelte Sonderbauten dar und zählen nach der Versammlungsstättenverordnung als „Räume, die dem Gottesdienst gewidmet sind“. Diese „Räume“ bzw. Gebäude sind von der Versammlungsstättenverordnung ausgeschlossen und benötigen deshalb eigene Lösungen zum Brandschutz. Der Personenschutz ist dabei das Wichtigste und hier haben traditionelle Kirchen einen großen Vorteil: Personen, welche sich in Kirchen bzw. Hallen aufhalten, haben eine große Sichtweite und können frühzeitig erkennen ob es raucht bzw. brennt und sich in Sicherheit bringen. Dazu verfügen Kirchen über besonders hohe Räume und Hallen, was wiederum zu einer rauchfreien Schicht führen kann – solange der erkaltete Rauch nicht absinkt. Bleibt also nur noch der Sachschutz, welcher fast immer aufgrund hoher Kosten und mangels brandschutztechnischer Sonderlösungen vernachlässigt werden muss.

Zur Beurteilung von Rettungswegen bei Neubauten von Kirchen und Gemeinderäumen ist meistens die Versammlungsstättenverordnung eine sinnvolle Orientierungshilfe.

Es bleibt weiterhin spannend, was als Brandursache der Notre Dame in den kommenden Wochen ermittelt wird.

Autor dieses Beitrages:

Johannes Stahl, Brandschutz

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