Feuer im Hochhaus und Muster-Hochhaus-Richtlinie

Feuer im Hochhaus.
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Der verheerende Brand im 24-stöckigen Grenfell-Tower in London hat für großes internationales Entsetzen gesorgt und viele Fragen zur Brandsicherheit aufgeworfen.

Wir gehen heute den Fragen nach, was der Grund für diesen Brand war und warum es überhaupt beim Londoner Hochhaus so weit kommen konnte.

In diesem Zusammenhang nennen wir in diesem Beitrag auch kurz die wesentlichen Punkte der in Deutschland geltenden Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR) von 2007.

Feuer im Hochhaus

Als allererstes stellt sich bei einer Katastrophe wie dem Hochhausbrand in London immer die Frage, ob Baumängel schuld sind bzw. was der Grund für den Brand war und wie es so weit kommen konnte.

Auch wenn die Ursachen der Brandkatastrophe noch nicht geklärt sind, scheint die Brandweiterleitung zu einem wesentlichen Teil über die Außenfassade erfolgt zu sein, wie auf Bildern und Videos unschwer zu erkennen ist. Es ist daher davon auszugehen, dass brennbare Materialien in der Fassade verwendet wurden. Wie die Tagesschau am 22. Juli 2017 berichtete, soll die Fassade des Grenfell-Towers aus Aluminiumverbundplatten bestanden haben, welche einen hohen Anteil an Kunststoff enthalten. Weitere 600 Hochhäuser im Land hätten eine ähnliche Verkleidung – teilweise bestehen diese sogar aus leichtentzündlichen Materialien.

Der Gedanke an ein Feuer in einem Hochhaus löst Angst aus. Fluchtwege sind möglicherweise von Flammen und dichtem Rauch versperrt. Die Leitern der Feuerwehren reichen nicht bis in die oberen Stockwerke. Eine Selbstrettung durch Springen ist unmöglich.

Die Bekämpfung von Bränden und die Rettung von Menschen in hohen Häusern ist besonders problematisch, weil die Feuerwehrleute nur schwer in die Nähe der Flammen gelangen. Je höher das Feuer ausbricht, desto schwieriger ist es, dieses zu bekämpfen. Allein die Beförderung des Löschwassers in die oberen Stockwerke ist viel schwieriger, als das Löschen im Erdgeschoss.

Der Brand von London hat deutlich gezeigt, wie notwendig die in Deutschland geltenden, strengen Bauvorschriften für Hochhausbauten sind.

Jedes moderne Hochhaus über 22 Meter Höhe muss mit folgender Ausstattung ausgerüstet sein:

  •  Feuerwehraufzug mit Vorraum

Nur über Feuerwehraufzüge ist es möglich, in einem Hochhaus einen Löschangriff mit voll einsetzbarem Personal in angemessener Zeit durchzuführen.
Die nach Vorschrift geltenden Abmessungen für Vorräume stellen ein Mindestmaß dar und stellen sicher, dass ausreichend Platz für Rettungsgeräte, für Personenrettung, für feuerwehrtechnisches Gerät sowie eine Krankentrage vorhanden ist. Aus diesem Vorraum werden die Einsatzmaßnahmen der Feuerwehr durchgeführt. Das bedeutet, dass sich mindestens ein Feuerwehrtrupp dort befindet. Der Vorraum des Feuerwehraufzuges dient auch als gesicherter Wartebereich für Benutzer von Rollstühlen.

  • Steigleitung (Löschwasser)

Eine schnelle und wirkungsvolle Brandbekämpfung wird erreicht, wenn die Löschwasserleitung mit eigener Wasserversorgung der DIN 14462 und die Wandhydranten „Typ F“ nach DIN 14461 entsprechen.

  • Feuerlöschanlagen

Die Verhinderung der Brandausbreitung in den Geschossen wird durch automatische Feuerlöschanlagen erreicht, wenn diese flächendeckend nach Kategorie „Vollschutz“ ausgelegt sind. Für die Planung, Einbau und Instandhaltung kommen die Regelungen der DIN 14489 in Verbindung mit dem technischen Regelwerk VdS CEA 4001 Klasse 1 oder das technische Regelwerk der National Fire Protection Association NFPA 13 (FM) in Betracht.

  • Nichtbrennbare Fassade

Der Ausschluss brennbarer Baustoffe in den Bauteilen der Außenwand oder vor der Fassade ist erforderlich, weil ein Fassadenbrand am Hochhaus wegen der begrenzten Wurfweite der Strahlrohre der Feuerwehr nicht wirksam bekämpft werden kann. Brandereignisse belegen, dass sich schwerentflammbare Baustoffe in mehrschaligen, hinterlüfteten Fassaden wegen der Kaminwirkung wie normalentflammbare Baustoffe verhalten können. Die Anforderungen betreffen alle Teile der Außenwände. Dazu gehören auch die Außenwandbekleidungen einschließlich der Unterkonstruktion sowie Blenden, Fensterläden, Jalousien, Fensterrahmen und Sonnenschutzblenden.

  •  Sicherheitstreppenraum (mit Schleusen)

Sicherheitstreppenräume sind notwendige Treppenräume, die jedoch höhere Anforderungen erfüllen müssen. Bis zu 60 m Höhe ist ein Sicherheitstreppenraum, bei mehr als 60 m Höhe sind mindestens 2 Sicherheits- treppenräume erforderlich. Es muss das Eindringen von Feuer und Rauch in diese innenliegenden Sicherheitstreppenräume und andere vertikalen Rettungssysteme durch Druckbelüftungsanlagen verhindert werden.

 

Probleme bei Hochhausbränden

Bild: Stadt Osnabrück Feuerwehr

Muster-Hochhaus-Richtlinie

Nach Meinung mancher Experten gelten bei uns in Deutschland europaweit die schärfsten Richtlinien. Die Briten und Franzosen haben weniger strenge Vorschriften. Trotzdem müssen wir prüfen, wie es um den Zustand manch älterer Gebäude in Deutschland steht, wie es das Beispiel „Hochhaus in Wuppertal“ durch die Evakuierung neulich zeigte. Hochhäuser in Deutschland sollten jedoch bei korrekter Ausführung nach den geltenden Verordnungen (z. B. Muster-Hochhaus-Richtlinie) sicher genug sein.

Die in der Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR) 2007 geregelten Anforderungen beziehen sich auf das gesamte Gebäude vom Keller bis zum Dach einschließlich niedriger Gebäudeteile (sogenannter „Breitfuß“). Wesentliche Eckpunkte eines Brandschutzkonzeptes nach MHHR 2007 sind:

  • Früherkennung eines Brandes.
  • Automatische Alarmierung des Brandgeschosses.
  • Automatische Weiterleitung der Brandmeldung an die Feuerwehr.
  • Schnelle Selbstrettung aus dem Gebäude.
  • Ausreichend lange Begrenzung der Brandausbreitung.
  • Zügiger Angriff in das Brandgeschoss.

Somit wird in Deutschland schon bei der Planung sehr viel getan, damit später keine Menschenleben beklagt werden müssen. Vor allem bei Hochhäusern ist hier besonderes Augenmerk wichtig. Doch es gibt viele weitere Gebäudenutzungen, bei denen die Rettung von Personen schwierig oder langwierig sein kann z. B. Pflegeheime, Schulen usw.

Grundsätzlich gilt es, sich schon in der Planung seiner Verantwortung bewusst zu sein. Oft wird die Strenge und Konsequenz vor allem bei der Erstellung von Brandschutzkonzepten beklagt. Sieht man jedoch Bilder wie jene aus London wird auch deutlich, dass wir in Deutschland die nötigen Richtlinien haben und diese zur Vermeidung solcher Katastrophen eben auch angewandt werden sollten. Bei einer durchdachten Planung können so auch für alle Seiten annehmbare Lösungen gefunden werden.

Autor dieses Beitrages:

Johannes Stahl, Brandschutz

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